Symbolbild Verkehrswende

Woran die Verkehrswende scheitert

 

Die Verkehrswende ist in aller Munde und gilt zurecht als eines der potenziell wirksamsten Vorhaben im Kampf gegen den Klimawandel. Dabei geht es vor allem darum, weniger Individualverkehr (Autos, Motorrad, Roller) und mehr öffentlichen (Nah-)Verkehr zu nutzen. Denn E-Auto hin, E-Auto her, die Öffis verbrauchen mit Abstand am wenigsten Ressourcen. Dazu sparen sie Lärm und Straßenabrieb (sowohl der Straßen selbst als auch der Reifen) ein, was die Feinstaubproblematik bessert. So weit, so schön.

 

Aber wie können wir das erreichen? Ausbau, dürfte der erste Gedanke besonders auf dem Land sein – zurecht, denn was nicht da ist, lässt sich nicht nutzen. Dass Deutschland europaweit in den vergangenen 30 Jahren am meisten Schienenstrecke von allen Ländern Europas stillgelegt hat, hilft da nicht. Und wer außerhalb einer Großstadt (und manchmal auch in deren Peripherie) auf den Bus wartet, sollte besser ein belegtes Brot mitnehmen.

 

Die andere Stellschraube sind die Preise. Denn nur wenn Öffis bezahlbar sind, bieten sie eine echte Alternative – gerade für diejenigen, die trotzdem nicht auf ein Auto verzichten können oder wollen. Allein das wäre Grund genug, die Preise daran auszurichten, was Umfragen und Empfehlung von Verbraucherverbänden* als optimal empfinden, und den Rest staatlich zu finanzieren. Klingt teuer, aber wer einen Blick in die Kosten jedes zehntel Grads an Klimaerwärmung geworfen hat, weiß, dass es sich lohnt. Unglücklicherweise hat das unter den Entscheidungsträgern offenbar niemand. Das gilt nicht nur für die Landes-, sondern leider auch für die Lokalpolitik.

 

Attraktiv vs. unattraktiv

 

Eigentlich ist – oder war – das Deutschlandticket ein Erfolg. Mehr als 11 Millionen Nutzer konnte es 2023 überzeugen, 2024 waren es schon mehr als 13 Millionen. Darunter immerhin mehr als 800.000 Personen, die vorher gar kein Abo-Ticket hatten. Gute Voraussetzungen für eine Verkehrswende, möchte man meinen. Mehr Menschen würden, aktuellen Studien nach, nur darauf zurückgreifen, wenn der Preis noch einmal deutlich gesenkt würde – 29 € Maximum, wurde nach ausführlichen Umfragen empfohlen. Wie wir alle wissen, wurde sich jedoch genau für das Gegenteil entschieden: Eine Erhöhung um satte 18 Prozent auf nun 58 €. Dass dabei zweifelsohne Abonnenten verloren gehen werden – geschenkt. Denn wie so oft ist die kurzfristige Ökonomie wichtiger als das langfristige Klima, die Zukunft wird zugunsten einer möglichst bequemen Gegenwart ausgeblendet.

 

Nun ließe sich hoffen, dass regionale und lokale Verkehrsverbünde ein Zeichen setzen und selbstständig für ein günstigeres, für alle leistbares, klimaschonendes Ticket sorgen. Meine Heimatstadt Köln beginnt das Thema so: Zum neuen Jahr würden die Parkgebühren erhöht, um den Individualverkehr unattraktiver zu gestalten. Gut, kann man machen. Dann könnte man die zusätzlichen Einnahmen ja …? Weit gefehlt. Stattdessen werden zum Jahresbeginn auch die Preise für Einzelticket und Co erhöht, um den öffentlichen Nahverkehr … ja, was eigentlich? Attraktiver zu machen wohl eher nicht. Stattdessen kostet eine einzelne Fahrt innerhalb des Stadtgebiets satte 3,70 €. Damit auch keiner davonkommt, wurde der Preis fürs Sozialticket ebenfalls erhöht – auf 49 €. Dass sowohl beim Bürgergeld als auch bei der Grundsicherung für alte Menschen überhaupt nur 40,27 € für Mobilität vorgesehen sind, Betroffene das „Sozial“Ticket davon also gar nicht bezahlen können – wen interessiert das schon? Dass die Kölner Verkehrsbetriebe schon zuvor nicht nur für ihre extreme Unzuverlässigkeit, sondern auch für ihre besonders hohen Preise bekannt waren, fällt an der Stelle kaum noch ins Gewicht.

 

Verkehrswende: Manchmal sind’s die Kleinigkeiten

 

Eigentlich ist es nicht schwer, ohne Autos zu leben, zumindest nicht in einer gut organisierten Großstadt. Die Großstadt kann Köln bieten, die Organisation … an der Stelle ausnahmsweise ein persönliches Beispiel: Im Herbst bekam ich zwei schöne, neue Bücherregale geliefert (yeah! mehr Platz für Bücher!). Die wiederum erhielt ich auf einer Palette, auf die ich gerne verzichtet hätte – nutzte nichts. Der Spediteur wollte sie auch nicht wieder mitnehmen, es handele sich schließlich um Verpackungsmaterial (naja).

 

Gut, ich wollte ohnehin Sperrmüll bestellen, für einen kaputten Stuhl und etwas Kleinkram – mit einer 2,20-Meter-Holzpalette lohnt sich das wenigstens. Dachte ich, bis die zuständigen Kölner Stadtwerke mich darüber informierten, dass man nicht gedenke, die Palette mitzunehmen, die sei nicht haushaltsüblich. Die Regale, die darauf geliefert worden wären, die könne man mitnehmen. Es ist also durchaus haushaltsüblich, Möbel zu besitzen, man darf sie eben nur nicht liefern lassen. Flexibilität? Realitätssinn? Aber bitte doch nicht in einer Kölner Behörde! Klar, hätte ich die Möbel selbst mit dem Auto (das ich nicht besitze) abgeholt … aber die Idee war ja, dass die Stadt auch ohne Auto funktioniert, nicht? Ich könnte sie kostenfrei zu einem der beiden weit außerhalb liegenden Wertstoffhöfe bringen, lautete der Vorschlag. Ach, wie nett! Wie ich sie ohne Auto dort hintransportieren soll? Darauf fanden die Stadtwerke keine Antwort. Dafür erschließt sich mir ein neuer Grund, warum die Verkehrswende so jedenfalls nicht gelingt.

 

* https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/deutschlandticket-muss-bezahlbar-fuer-alle-bleiben