Werbebanner "Dehumanisation" (Entmenschlichung)

Dehumanisation: Woher kommt der Titel?

 

Warum heißt mein aktueller Roman Dehumanisation?

Dehumanisation

… stammt aus dem Lateinischen, zusammengesetzt aus „de“ für „ent“, „ab“ oder „weg“ und „humanitas“, der menschlichen Würde. Im Deutschen bedeutet es Entmenschlichung oder Entwürdigung.

 

Entmenschlichung begegnet uns weltweit in großem Ausmaß während Krisen und Kriegen, in kleinerem tagtäglich im Alltag. Sie umfasst eine gewaltige Spanne an Gedanken, Sprache und Handlungen, denen gemeinsam ist, den Menschen und seine Grundbedürfnisse in einer Situation zu negieren. Das kann in entwürdigender Alten- oder Krankenpflege geschehen, in der Psychiatrie, in Haft oder Gewahrsam. Aber auch im Internet durch eine Vielzahl von Kommentaren, die Menschen ihre Würde und oft sogar ihr Existenzrecht absprechen. Selbst Sicherheitsvorkehrungen wie am Flughafen oder Überprüfungen der Polizei bewegen sich auf einem schmalen Grat und können rasch zu dehumanisierenden Handlungen entgleiten.

 

Entmenschlichung wird bewusst genutzt, um Menschen Hemmungen gegenüber anderen Menschen zu nehmen. Sie werden zu einer „Sache“ degradiert, mit der anders umzugehen ist als mit einer Person. Dieser Technik wird sich gleichermaßen bei Terrorismus, Rassismus und Folter bedient. So waren Angehörige der japanischen Militäreinheit 731, die schwerste Folter an Kriegsgefangenen durchgeführt hat, angewiesen, ihre Opfer ausschließlich als „Holzklotz“ zu bezeichnen – nicht als Mensch, Mann oder Soldat. Da es sich häufig um Chinesen handelte, wurden diese in Publikationen als „Mandschurische Affen“ ausgegeben, um Menschenversuche zu verschleiern.

 

Rassismus beruht auf der Idee des Unterscheidens in „besser“ und „schlechter“, einer Kategorisierung, die automatisch Entmenschlichung mit sich bringt. Denn in dieser Ideologie ist der eine Mensch, des einen Würde weniger wert als die des anderen. In der Sprache rechtsradikaler Parteien werden aus Menschen „Kopftuchmädchen“ und „Messermänner“, ihnen jede Individualität nehmend. Aus einer Vielfalt unterschiedlicher Migranten mit Wünschen, Hoffnungen, Geschichten, Schwächen und Stärken werden „die Ausländer“, wobei Nationalitäten im Singular auftreten. Hilfesuchende werden in absurder Verdrehung der Umstände als Waffe, sogar als Invasion beschimpft. Die pauschale Bezeichnung geht auch mit ebenso pauschal vergebenen, stets negativen Eigenschaften einher und erlaubt somit ein sofortiges Urteil über Menschengruppen als Ganzes.

 

Auch im Fall von Terrorismus greifen ähnliche Mechanismen: Bei einem Anschlag oder Attentat, ebenso wie bei einem Amoklauf, werden die Täter zuvor darauf getrimmt, nicht mehr den Menschen, sondern nur noch einen gesichtslosen Feind zu sehen – das kann eine beliebige Gruppe Soldaten sein, aber auch ein Land wie die USA oder eine Religionsgruppe. Vor dem Bauen einer Bombe, dem Anbringen eines Sprengsatzes, dem Schultern eines Gewehrs, steht die psychische Entmenschlichung des (vermeintlichen) Gegners.

 

Im Buch erfahren die Protagonisten Dehumanisation auf verschiedene Arten – sowohl als Täter als auch als Opfer.

 

Oliver

Computerspiele als Wurzel allen Übels zu bezeichnen, ist ein alter Hut und längst widerlegt. Eher suchen sich bestimmte Charaktere Spiele, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Unzweifelhaft ist auch, dass es diese Spiele gibt – die die Grenzen jeden guten Geschmacks sprengen. Das im Buch genannte Hatred, das Handlungen wie das Verbrennen unbewaffneter Zivilisten mit dem Flammenwerfer gestattet, ist ein Beispiel dafür. Inwieweit spezifisch diese Sorte Spiele bereits gewaltbereite Menschen weiter enthemmt, bleibt Gegenstand der Forschung. Zweifelsohne arbeitet es jedoch in extremer Form damit, menschliche Abbilder zu Zielen abzuwerten, unabhängig von deren Motivation.

Auch Olivers Plan des perfekten Amoklaufs degradiert Menschen zu Zielen: Je mehr ausgeschaltet werden, desto größer der Ruhm. Oft konsumieren Täter von Amokläufen oder Anschlägen zuvor aufstachelnde Medien, die eine Personengruppe entwerten. Manche verfassen regelrechte Manifeste, um darzulegen, warum ihre Opfer angeblich wertlos sind.

 

Ismat

Ismat begegnet schon früh Dehumanisation durch die Willkür des Krieges, die keinen Halt vor der Zivilbevölkerung im Irak macht. Insbesondere Hinterlassenschaften wie Blindgänger und chemische Waffen fordern nach Abzug der Besatzungsmächte auch über Jahre und sogar Jahrzehnte hinweg weitere Opfer.

Noch näher kommt ihm Dehumanisation, als sein Bruder, menschlich kaum wiederzuerkennen, aus Abu Ghuraib zurückkehrt. Die Folter dort zielte systematisch auf den Verlust der Würde ab, beispielsweise durch erzwungene Nacktheit, Einschmieren mit Fäkalien, Verstümmelung oder tagelangen Entzug aller Sinnesreize in sargähnlichen Konstrukten. Menschen nicht nur in den Wahnsinn, sondern auch zu Tode zu foltern, war bewusst einkalkuliert.

Umgekehrt überzeugen ihn Terroristen schnell von der Nicht-Menschlichkeit seiner vermeintlichen Feinde, in denen er bald Teufelsgestalten sieht. Das gelingt leicht mit amerikanischen Soldaten – auch solchen, die keinerlei Schuld auf sich geladen haben – und endet im Entwerten ganzer Nationen sowie Gesellschaftsformen.

 

Naid

Naid, der im Buch, stellvertretend für viele Menschen mit Migrationshintergrund auf der ganzen Welt, fast täglich gegen Rassismus ankämpfen muss, wird oftmals nicht als Mensch betrachtet. Für seine Gegenüber ist er nicht Naid, Kfz-Mechaniker und Ehemann, sondern ein mutmaßliches Risiko – allein auf Basis seines Gesichts oder Namens. Er wird vom Menschen zur Gefahr herabgestuft und als solche behandelt. In der Realität erleben Menschen mit Migrationshintergrund – insbesondere solche mit arabischem Aussehen oder dunkler Hautfarbe – in zahllosen Situationen Rassismus und Benachteiligung. Sie werden häufiger Opfer von Polizeigewalt und erhalten härtere Urteile, wenn sie selbst straffällig werden. Sie werden bei gleicher Qualifikation seltener in führenden Positionen eingesetzt und haben schlechtere Chancen bei der Arbeits- und Wohnungssuche. Nicht zuletzt sind sie in vielen Gegenden der Welt, auch in vielen Gegenden Deutschlands, offenen Anfeindungen und sogar körperlicher Gewalt ausgesetzt.

 

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