Titelbild Pest-Anthologie 2

Der Schatten des Schwarzen Todes

Vom Weltall direkt ins Mittelalter! Einmal mehr hatte ich die Ehre, an einer Anthologie des Burgenwelt-Verlags mitzuwirken und meinen Anteil in Form der Kurzgeschichte „Abbitte“ beizutragen. Dabei geht es um eine der dunkelsten Zeiten des letzten Jahrtausends: Die Zeit der Pest.

 

Taschenbuch: 13,90 €

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Und worum geht’s?

»Sie sagen, dass der Tod kommt, zu allen Menschen, ob arm oder reich, Kinder sterben ebenso wie Greise.«

Das Wort »Pest« ist ein Schreckgespenst – ein Mahnmal dafür, dass der Mensch nicht unbesiegbar ist. Die schiere Auslöschungswut dieser Seuche jagt uns bis heute einen Schauer über den Rücken. Manch einer sah die Pest damals gar als diabolisches Wesen, auf die Erde gesandt, um die Sünder zu strafen.

Viele traten der Pest mutig entgegen. Heiler, Priester, Quacksalber, Kräuterkundige, Bader und andere versuchten, ein Heilmittel zu finden – einige davon mit eher zweifelhaften Methoden. Pestheilige wurden angefleht und der Handel mit Schutzamuletten blühte. Unzählige Menschen starben, anderen konnte die Seuche auf wundersame Weise nichts anhaben.

Diese 13 hier zusammengetragenen Pest-Geschichten offenbaren den ganzen Schrecken des Schwarzen Todes!

Mit Geschichten von:

Alvar Borgan * Tanja Brink * Udo Brückmann * Nina Casement * Anna Eichenbach * Sabine Frambach * Monika Grasl * Geli Grimm * Erik Huyoff * Olaf Lahayne * Daniel Stögerer * Ulrike Stutzky * Anton Vogel

 

Leseprobe

Er musste fort. Schon wieder. Jodok hielt es für zu gefährlich, das Gasthaus durch den Vordereingang zu verlassen. Er hatte gemeint eine Bewegung in der Gasse wahrgenommen, ein Flüstern gehört zu haben. Lieber schlich er zwischen den anderen Strohkojen hindurch, bis zu dem kleinen Fenster hinaus zum Hinterhof. Viele lagen ohnehin nicht in dem niedrigen Schlafsaal – wer wollte schon in einem Ort nächtigen, den die Pestilenz im Griff hatte? Behutsam schnitt Jodok die im Rahmen gespannte Rinderblase auf, hakte das krumm gebogene Eisen ein und ließ sich dann am daran befestigten Seil herab. Schließlich löste er den Haken mit geschicktem Schwung ohne einen einzigen Laut.

Schon seltsam, welche Fähigkeiten man in seinem Leben erwarb – dachte er, während er geräuschlos durch den kleinen Innenhof schlich. Selbst die leise glucksenden Hühner störten sich nicht an seiner Anwesenheit. Nicht zum ersten Mal sinnierte Jodok, dass er einer Existenz als Geist so nahe gekommen war, wie ein lebender Mensch es vermochte. An den Hof schloss ein weiterer mit Tor zur Gasse an, das er mühelos mit seinem Werkzeug öffnete. Keine zweihundert Meter später begannen bereits die rabenschwarzen Felder, in denen Jodok ohne eine Spur verschwand.

Wohin nun? Er wusste es nicht. Im Grunde spielte es auch keine Rolle. Nur vorwärts musste es gehen, nie zurück. Die kunstvoll gemalte Karte im schmalen Licht eines Kienspans studierend, entschied er sich schließlich für Simmern. Das Städtchen lag gut, etwas abseits der Route zwischen Mainz und Cöln, sicherlich würde er hier Gelegenheit zum Handel finden. Ein unangenehmer Wind ging, dazu nieselte es, also zog Jodok den dicken Wollmantel enger um seine Schultern und lief bis zum frühen Mittag. Erst als es etwas wärmer geworden war, erlaubte er sich einige Stunden Schlaf in der Höhlung eines von den Herbstgewittern gefällten Baumes. Es war bereits Anfang April, doch wirklich Frühjahr mochte es nicht werden, in manchen Nächten lag immer noch scharfer Frost. Jodok hütete sich davor.

Im gerade vergangenen Winter war er verzweifelt genug gewesen, um es zu versuchen. Schließlich war es nicht dasselbe wie das, was der Priester gemeint hatte, oder? Eine Entleibung durch eigene Hand war gegen den Herrn, hatte der Gottesmann in Göllheim auf seine Frage hin geantwortet und keine Zweifel gelassen, obschon Mitgefühl aus seiner Stimme gesprochen hatte. Legte er Hand an sich, würde das seine Seele auf direktem Wege in die ewige Hölle befördern und er hätte nichts gewonnen. Wenn er hingegen versehentlich im Schlaf erfror …?

Doch es war ihm nicht gelungen, sein Lebenswille hatte Geist und Körper unterworfen. Bereits halb tot war er auf allen Vieren durch den Schnee gekrochen, bis er einen kleinen Schafstall gefunden hatte. Dort, in der hinterletzten Ecke, hatte er sich unter Stroh verborgen, nicht einmal der Hirte hatte ihn bei seinen gelegentlichen Besuchen bemerkt. Eine Zeit lang hatte er nicht geglaubt, das nächste Jahr noch zu erleben. Tagelang hatten ihn Fieber und Husten fast zerrissen, gleichzeitig war er von geradezu dämonischem Durst geplagt worden. Die Tränke hatte er leergesoffen, dann Schnee gegessen und schließlich eine rohe Maus, als er zu verhungern drohte. Aber am Ende hatte er überlebt und sich betrogen gefühlt. Jodok zog seine Lehre daraus – weder mit Gott noch mit dem Vâlant ließ sich ein Spiel treiben.

 

Hintergründe

Selbst heutzutage – und in früheren Jahrhunderten noch weniger – ist kaum einem Menschen bekannt, dass die Pest in sehr seltenen Fällen nicht tödlich endet. Stattdessen verläuft sie, oft sogar unerkannt, mit abgemilderten Symptomen und erinnert eher an eine leichte Grippe. Personen, die diese Episode überstanden haben, sind für einen längeren Zeitraum immun gegen den Erreger – jedoch nicht für immer! (Zudem existieren höchstwahrscheinlich Genvarianten, die zu einer Immunität führen.) Was im ersten Moment daherkommt wie ein gewaltiger Glücksfall, hat allerdings seine Schattenseiten: Wer vertraut jemandem, um den herum alle Menschen sterben wie die Fliegen – nur er nicht? Besonders im Mittelalter, lange vor jeder noch so vagen Idee von Krankheitsübertragung, kann sich ein solcher Segen schnell als Fluch erweisen.

Zum Zeitpunkt der Geschichte waren jüdische Gemeinden bereits seit Längerem Ressentiments und Übergriffen ausgesetzt. Immer wieder kam es zu Beschuldigungen, wenn Seuchen oder Missernten auftraten. Ein Grund bestand möglicherweise in den im Vergleich zur übrigen Bevölkerung strengeren Hygienevorschriften jüdischer Einwohner, die dazu führen konnten, dass sie von Krankheiten eher verschont blieben. Wenig überraschend steigerte sich dieses Drangsal angesichts der Pest ins Unermessliche. Plünderungen, Morde, regelrechte Massaker folgten, selbst in Städten, in denen unterschiedliche Gemeinschaften bislang friedlich zusammengelebt hatten. In vielen Fällen versuchten „aufgebrachte Bürger“, jüdische Familien oder Gemeinden zum Konvertieren zu bewegen – nicht selten unter Einsatz von Folter und Vergewaltigung. Unter diesen Umständen wählten manche der Verfolgten den Freitod. Grundsätzlich verbietet die jüdische Religion (ebenso wie das Christentum) zwar einen Suizid, es existieren aber einige Ausnahmen:

Um Götzendienst zu vermeiden, um Inzest zu vermeiden und um die Ermordung eines anderen zu vermeiden, darf man sich töten lassen oder sich selbst das Leben nehmen (Sanhedrin 74a).“ (1)

Letztendlich ist allerdings unklar, bei wie vielen als Suizide beschriebenen Todesfällen verdeckte Morde vorlagen, die auf diese Art vertuscht wurden. Unzweifelhaft ist jedoch, dass tausende Juden Opfer der Pestprogrome wurden – über 200 Gemeinden verschwanden allein im Rheinland vollständig.

Und wie wäre es heute? In einer Zeit, in der Aberglaube, faktenfreie „Alternativmedizin“ als moderner Reliquienhandel und der steigende Umsatz mit ebendieser zunehmend an Einfluss gewinnen, möchte man gar nicht so genau darüber nachdenken …

Nicht anders sieht es bei der Frage von Pogromen, Ausgrenzung und Misstrauen gegenüber Menschen anderer Hautfarbe oder Religion aus, die in vielen Ländern wieder hoch im Kurs steht. Wozu nach den Ursachen forschen, wenn es so viel einfacher ist, einen Sündenbock zu benennen?

Ganz persönlich hoffe ich, dass uns in beiden Punkten eine Kehrtwende gelingt, bevor es zu spät ist.

 

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Pest#Abortive_Pest

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/anthropologie-immun-gegen-die-pest-1381159.html

https://www.juedische-allgemeine.de/religion/mein-tod-gehoert-nicht-mir/  (1)

http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/z/zsr10036849.pdf

https://www.schum-staedte.info/juedische-besiedlung-des-rheinlandes/das-rheinland-im-mittelalter.html

http://www.mittelalter-entdecken.de/juden-im-mittelalter-judenverfolgungen/