Helfen: Wohnungsnot

Wohnungsmangel: Alternativen zum Wohnungsbau?

Wohnungsmangel und überhöhte Mieten sind in aller Munde – als Kölnerin kann auch ich ein Lied davon singen. Neben Enteignungen als letztes Mittel gegen Wohnungsnot wird daher häufig mehr Neubau gefordert, insbesondere natürlich von günstigen Wohnungen. Das ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, eines wird dabei jedoch gerne vergessen: Wohnungsbau ist eine der umweltschädlichsten Tätigkeiten überhaupt.

 

Ursachen für Wohnungsmangel

Pro Tonne produzierten Zements entstehen ganze 570 Kilogramm CO2. Mehr als 40 % des anthropogen verursachten globalen CO2-Ausstoßes entstehen durch Bautätigkeit – eine unglaubliche Menge. Gleichzeitig werden für Neubauten gewöhnlich begrünte Flächen gerodet, die normalerweise als Kohlenstoffsenke dienen, das klimaschädliche Gas also in organischer Form binden. Nicht zuletzt schadet die Versiegelung dieser Flächen der Umwelt. Das Stadtklima verschlechtert sich: Weniger Feinstaub kann durch Windkanäle auf die (nicht mehr vorhandenen) Freiflächen außerhalb geleitet werden und heiße Sommer wirken sich signifikant schlimmer aus. Beide Faktoren führen schon jetzt zu signifikanten Todeszahlen, vor allem unter Senioren. Vielleicht Grund genug, über Alternativen nachzudenken, die das Problem wenigstens abmildern könnten.

 

Vorschlag 1: Renovieren statt Neubauen

Es ist nicht so, dass wir mehr werden – tatsächlich sinkt die Bevölkerung bereits seit 2005 und wird noch deutlich stärker sinken, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ihr Lebensende erreichen. Warum also sind subjektiv zu wenige Wohnungen vorhanden? Eines der Probleme ist, dass vorhandene Gebäude leerstehen und verrotten. Wohnangebote sind nicht mehr attraktiv, weil sie sich in schlechtem Zustand befinden. Denn neuen Wohnraum zu schaffen ist wesentlich lukrativer (und subventioniert!), als sich um die bereits vorhandenen Strukturen zu bemühen. Ein Beispiel: Im Aachener Umland entstehen aktuell zwei große Neubaugebiete, eines in Brand im Tuchmacherviertel, ein weiteres in Kornelimünster, gerade 1,5 Kilometer entfernt. Insgesamt sollen mehrere hundert Wohneinheiten entstehen. Aus der Werbung der Baufirma zum ersten Projekt:

Auf einer Fläche von rund 54.000 m² soll hier dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden.“

Wenn Wohnraum hier dringend benötigt wird, ist logischerweise davon auszugehen, dass die vorhandenen Kapazitäten nicht ausreichen. Tatsächlich belaufen sich die aktuellen Immobilienangebote allerdings auf 684 Mietwohnungen, 83 Eigentumswohnungen und 62 Häuser. Immerhin 40 Prozent der Wohnungen nennen drei Zimmer oder mehr ihr Eigen, wären also auch für Familien geeignet. Leerstände, die dem Verfall anheimgegeben sind, sind hier überhaupt nicht eingerechnet. Und wer schon einmal zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Bus von Aachen Hauptbahnhof oder Rothe Erde bis hinaus nach Brand oder Kornelimünster gefahren ist, weiß, dass es davon eine Menge gibt. Fazit ist, dass es nicht wirklich zu wenig Wohnangebote, sondern kein Interesse an deren Instandhaltung bzw. –setzung gibt. Mein erster Vorschlag wäre also, jede Baufirma dazu zu verpflichten, einen bestimmen Anteil ihres Budgets in bereits vorhandenen Wohnraum zu investieren und Leerstände zu beseitigen.

 

Vorschlag 2: Landflucht bremsen

Landflucht lässt sich nicht gänzlich aufhalten, das ist illusorisch. Das heißt aber auch nicht, dass Politik, Wirtschaft und Bevölkerung schulterzuckend die Segel streichen und aufgeben sollten. Während einige Regionen regelrecht überquellen vor lauter Beliebtheit, herrscht in vielen ländlichen Regionen und Kleinstädten zunehmend Leere. Nun weichen die meisten Menschen nicht freiwillig, sondern mangels Alternativen – es fehlt an Arbeitsplätzen, an Infrastruktur und Freizeitmöglichkeiten. Die Politik spricht zwar seit Jahrzehnten vollmundig von der Förderung ländlicher Räume, echte Erfolge bleiben jedoch aus. Ganz im Gegenteil: Unternehmen nutzen Subventionen aus, ohne Arbeitsplätze zu schaffen (hallo Zalando …). Es werden immer mehr Bahnstrecken geschlossen (da nicht wirtschaftlich genug). Und es fehlen immer mehr Ärzte (in Köln wurde 2018 übrigens jeder Bewerber mit einem Abiturdurchschnitt unter 1,0 für ein Medizinstudium abgelehnt).

Anstatt realitätsfremde Pläne zu machen, wäre es deshalb einerseits sinnvoll, die Bevölkerung vor Ort nach ihren Bedürfnissen zu fragen – und diese auch konsequent umzusetzen. Andererseits könnte der Blick in andere, bevölkerungsärmere Länder helfen, die für viele Probleme längst Lösungen gefunden haben, anstatt auf deutscher Bürokratie herumzureiten. Anfänge wären beispielsweise ein Nahverkehr nach Bedarf statt nach Ökonomie (der Umweltschutz und so …). Eine attraktive und langfristige Landarztprämie bei höheren Zulassungszahlen. Unternehmenssubventionen nur dann, wenn auch tatsächlich langfristig Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden. Und vieles mehr. Im Rahmen meines Studiums und persönlichen Interesses habe ich unzählige gute Ideen gehört – die meisten aber scheiterten am Umsetzungsinteresse der Verantwortlichen, Bürokratie und purem Geiz.