Coverbild Anny Bunny

Anny Bunny

 

„Anny Bunny“ nimmt dich mit auf eine Reise zu den Schattenseiten einer Industrie, die Lust verkauft: Der Pornoproduktion. Dabei erzählt das Buch aus zwei Perspektiven, die bislang kaum Beachtung finden.

 

Taschenbuch (13,99 €)

ISBN: 9783756834839

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E-Book (3,99 €)

ISBN: 9783757831219

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Und worum gehts?

Hauptsache raus!

– wünscht sich Anna, geplagt von Schicksalsschlägen und zermürbender Armut. Entschlossen wählt sie den scheinbar einzigen für sie gangbaren Weg aus der Tristesse der Berliner Sozialbauten: Sie verdingt sich als Pornodarstellerin „Anny Bunny“. Als sie beginnt, gleichzeitig als Produzentin zu arbeiten, glaubt die junge Frau, alles unter Kontrolle zu haben und endlich den ersehnten Wohlstand zu erreichen. Doch die subtilen Auswirkungen der harten Branche sickern in Körper und Seele, bis das zerstörerische Frauenbild jeden Bereich ihres Lebens beherrscht. Plötzlich rückt Geld in den Hintergrund. Kann es Anna gelingen, zurück in ein normales Leben zu finden?

Und dann ist da noch Phillip, der mit sexuellen Vorstellungen ringt, die er nicht versteht. Nach außen hin ein normales Leben führend, fühlt sich der junge Mann innerlich zunehmend zerrissen und einsam – wird er für immer außerstande sein, eine glückliche Beziehung zu führen? 

 

Leseprobe

17.04.2018

Behutsam schob ich die letzte Tablette ein kleines Stückchen weiter nach rechts. Die Reihe lag trotzdem nicht parallel zu der darüber – einfach, weil es nur 99 anstatt 100 Diazepam waren. Das sah nicht hübsch aus, spielte aber keine Rolle. Als ich den unauffälligen Briefumschlag geöffnet hatte, hatte ich argwöhnisch feststellen müssen, dass die Pillen lose anstatt in Blistern verschweißt und zudem leuchtend himmelblau waren. Deshalb hatte ich letzte Woche eine von ihnen getestet. Das resultierende Gefühl war angenehm ermüdend, wattig weich und friedlich gewesen – kein Zweifel, hier war drin, was draufstand. Nun befanden sich bereits eine großzügige Portion Metoclopramid und etwas Reis in meinem Magen, keinesfalls sollte mir unerwünschtes Erbrechen den ganzen Plan versauen.

Fast ehrfürchtig legte ich die ersten beiden Tabletten auf meine Zunge und trank einen kleinen Schluck Wein hinterher. Cabernet Sauvignon aus dem Nappa Valley, Jahrgang 2012. Ein Gedicht im Abgang, halbtrocken, um meine Verdauung nicht mit zu viel Säure zu reizen. Er sollte brav hinunter transportieren, was hinunter musste. Entspannen und schlucken, das Prozedere war vertraut, das Material austauschbar. Kurz brannten meine Augen, ich meinte, ein Kratzen im Hals zu spüren. War es das? Die Katharsis? Nein, doch nicht, es verging so schnell, wie es gekommen war. Na gut, dann eben ohne Tränen. Zunächst hatte ich die beiden edlen, silbernen Kerzenleuchter auf dem Tisch platziert – es schien mir richtig und notwendig, die passende Atmosphäre für mein Vorhaben zu schaffen. Doch bereits nach wenigen Minuten war es mir einfach zu albern und aufgesetzt vorgekommen, also hatte ich sie wieder ausgeblasen. Nun glänzte allein das kühle Licht der Pendellampe auf der blanken Kastanienholzplatte meines Esstisches und beleuchtete die runden, blauen Todesbringer.

Die zweite Portion war fällig. Als ich einen Blick auf die Wanduhr warf, wurde mir klar, dass ich mein Tempo steigern musste, wollte ich noch alle hinunterbringen, bevor die Wirkung ein- und mich außer Gefecht setzte. Rasch nahm ich vier Tabletten hintereinander, atmete tief durch und schluckte sofort die nächsten vier. Abgesehen vom Notwendigen war der Tisch gänzlich leer. Eine Weile hatte ich gegrübelt, ob es angemessen gewesen wäre, einen Brief zu verfassen. Irgendetwas Erklärendes, Entschuldigendes, Erlösendes, das meinen Tod in einen sinnvollen Kontext setzen würde. Leider gab es weder einen sinnvollen Kontext noch einen Adressaten. Vielleicht hätte ich Marie schreiben sollen, für die ich immerhin etwas empfand, das Liebe noch am nächsten kam. Andererseits hatte ich ihr in den letzten Jahren nicht vermitteln können, wie ich mich fühlte – warum also sollte es mir ausgerechnet in diesem speziellen Brief gelingen?

Die Maserung der Holzplatte verschwamm ein wenig vor meinen Augen. Es wurde höchste Zeit. Unsicher grabbelte ich die übrigen Tabletten in meine hohle Hand und kippte das letzte Glas Wein auf Ex. Schade drum. Aufzustehen erwies sich als überraschend große Herausforderung. Meine Gliedmaßen fühlten sich an wie mit Blei gefüllt. Jeder einzelne Muskel war weich und wabbelig. Schön. Der Gedanke, mich einfach auf den Boden zu legen und mein Gesicht in den dichten Hochflorteppich zu schmiegen, war unglaublich verlockend. Aber das war nicht der Plan, also zwang ich mich Schritt für Schritt weiter, bevor der Drang übermächtig wurde.

„Anny Bunny bringt sich um“ – ich kicherte benommen und merkte, dass ich vielleicht schon zu lange gewartet hatte. Der Raum schwabbelte und schwankte, ich schwabbelte und schwankte, alles schwabbelte und schwankte. Eine Hand an der Wand, tastete ich mich mühsam zum Bett entlang. Meine Augen fühlten sich unfassbar schwer an, ich schielte nur noch durch einen schmalen Schlitz unter den Lidern hervor, mein ganzer Körper war warm und taub. Schön. Ganz schön. Ich kroch unter die flauschige Daunendecke, fragte mich noch, ob 

13.01.2003

Mama und Papa stritten schon wieder. Sie taten es aus Rücksicht auf mich so leise wie möglich und ich wusste auch, dass es nicht lange dauern würde, hasste es aber trotzdem. Vor allem jedoch wünschte ich mir eine Tür, mehr noch als sonst. Unser Zuhause war eigentlich als Zweiraumwohnung gedacht gewesen, mit kleinem Schlaf- und großem Wohnzimmer, letzteres in „L“-Form. Das kurze Ende hatten meine Eltern mittels eines dicken Vorhangs abgetrennt, sodass ich über ein eigenes Reich und ein Minimum an Privatsphäre verfügte. Die Betonung lag auf Minimum. Schon vor Jahren hatte Papa den Vermieter gebeten, eine Schiebetür einbauen zu dürfen, doch der hatte abgelehnt. Wir könnten ja ausziehen, wenn es uns nicht passte. Konnten wir natürlich nicht. Ebenfalls vor Jahren hatten wir uns über WBS auf die Warteliste für eine 3-Zimmer-Wohnung setzen lassen. Da waren wir immer noch drauf.

Hier drinnen standen ein Bett, ein Sperrholzschrank, den ich auf der Matratze sitzend öffnen konnte, und dazwischen eingeklemmt ein kleiner Schreibtisch. Jedes übrige Stückchen Platz war mit Regalbrettern, Kisten oder Schubfächern genutzt worden, damit ich meine Sachen unterbringen konnte. In all dem war der Schrank das Einzige, das mir ein Lächeln abringen konnte – denn ich hatte ihn als Zeichen meiner Verehrung mit Postern von „Pink“ und den „No Angels“ tapeziert. Vor allem Sandy Mölling fand ich so megahübsch, dass ich sie jeden Morgen beim Aufwachen mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung betrachtete. So gerne wäre ich wie sie! Hübsch, reich und berühmt – die stieß sich nicht bei jeder Bewegung an irgendeiner lausigen Kante die Knie blau. Deren Wohnung könnte vermutlich problemlos als Fußballplatz dienen.

Draußen wurde es lauter, ich schloss die Augen und steckte mir Stöpsel in die Ohren. Es ging um Geld – es ging eigentlich immer um Geld – und ich wusste, dass sie am Ende beide resignieren würden. Als ich Ohrenschmerzen bekam, vertauschte ich die Kopfhörer. Einer von ihnen gab seit Wochen ein nervtötend hohes, lautes Pfeifen von sich, das Scheißteil schien erpicht darauf, mich in den Wahnsinn zu treiben. Aber gerade war wohl kaum der richtige Moment, meine Eltern um 10 Euro zu bitten, damit ich mir neue kaufen konnte. Nicht, dass es den jemals gegeben hätte. Ich hatte beim Lidl gefragt, ob ich nach der Schule Werbung austragen durfte. Aber die hatten behauptet, dass ich dazu erst 14 sein müsste – also hieß es noch ein paar Monate warten. Deppen. Als ob ich die Dinger dann irgendwie anders einwerfen würde.

 

Hintergründe

Viele, wenn nicht sogar die meisten Menschen haben in ihrem Leben den einen oder anderen Pornofilm gesehen – ob sie es nun zugeben oder nicht. Doch wie die meisten Branchen, die mit Makellosigkeit und der perfekten Illusion werben, brodelt unter der Oberfläche das Gegenteil: Schmerz, Druck, Ausbeutung, auch Zwangsprostitution sind gang und gäbe in einer Industrie, die sich stetig beschleunigt, stetig an Brutalität gewinnt. Vielleicht wäre das leichter zu ignorieren, wenn es sich mit einem empörten Kopfschütteln einzig dem Sujet zurechnen ließe. Doch in Wirklichkeit erleben nahezu alle Frauen (und manche Männer) in ihrem Alltag Abwertung und Klischees, Sexismus und Übergriffe. Manche täglich, manche nur ab und zu. Manche unverhüllt, manche subtil. Umso interessanter war es für mich, einen Roman über Pornografie zu schreiben, ohne mich in Gewaltexzessen zu verlieren – mit Wiedererkennungswert im alltäglichen Leben.