Wild Card: Errata

 

Eine Dystopie – insbesondere eine, die wie die  Welt von Wild Card auf einem Naturereignis begründet – ist stets sehr recherchelastig. Dabei fließen natürlich längst nicht alle Informationen am Ende tatsächlich in das fertige Buch ein. Gleichzeitig soll jeder Leser angeregt werden, seine eigenen Bilder und Vorstellungen zu entwerfen. Wie sieht es dort aus? Wie funktioniert das? Und vor allem: Wie würde ich reagieren?

Insektenwelt oder insektenlose Welt?

 

Errata Wild Card - Insekten

 

Viel bleibt von der Welt unserer sechsbeinigen (und auch der acht- und vielbeinigen) Freunde im Szenario von Wild Card nicht übrig. Aber wieso eigentlich? Viele Leichen müssten doch eigentlich einen Festschmaus für Fliegen und Käfer darstellen und die wiederum für allerhand anderes Krabbelgetier. Doch so einfach ist es nicht. Durch die Welle extremen Drucks und extremer Hitze verstirbt jedes wirbellose Lebewesen, das sich an oder kurz unter der Oberfläche aufhält, binnen Sekunden – das gilt natürlich auch für Eier und Entwicklungsstadien. Kleine Gewässer erreichen zumindest an der Oberfläche den Siedepunkt, kurz darauf beginnt der Eintrag von Asche und Brandstoffen. Diese vergiften wenigstens zeitweise nahezu jedes Gewässer, lediglich Teile der großen Ozeane bleiben verschont. Da Krishna im Winter der Nordhalbkugel einschlägt, ist die Situation ein wenig besser, weil sich ein Teil der Insekten- und sonstigen Wirbellosenwelt verkriecht, um die Kälte zu überdauern, beispielsweise unter Baumrinden, in Felsspalten oder der Erde. Ist ein Unterschlupf tief genug, besteht eine Überlebenschance.

 

Doch dann folgt der Regen. Er verwandelt Böden in tödliche Schlammwüsten und überdeckt Gerüche, die viele Insekten zur Orientierung benötigen. Als Nächstes kommt die Kälte. Während zwar reichlich Nahrung für Fliegen in Form von Leichen vorhanden wäre, können sie diese nicht nutzen – die meisten heimischen Arten legen unterhalb von 10 °C keine Eier ab. Gleichzeitig verwesen Leichen unter Feuchtigkeitseinfluss rasch und nehmen Zersetzungsstadien an, die für Insekten nicht mehr attraktiv sind. Auf diese Art fallen eine bis mehrere Generationen vieler Wirbellosenspezies aus, was in vielen Fällen zum Aussterben führen dürfte. Doch auch nach den ersten Monaten bleibt das Überleben schwierig, denn die Nahrungsgrundlagen fehlen auch mittelfristig: Pflanzen sind verbrannt oder blühen aufgrund der Klimaveränderung nicht, Lebensräume sind durch Giftstoffe, Strahlung oder zu viel Nässe untauglich geworden. Und die Leichen? Nachdem infolge des Einschlags nahezu alles größere Leben gleichzeitig verstorben ist, bleiben nicht mehr viele potenzielle Tote oder deren Exkremente als Nahrung für kommende Aasfresser.

 

Der Super-Rucksack

 

Errata Wild Card - Rucksack

 

Was passt hinein? Wer Erfahrung mit Backpacken oder Trekking hat, weiß – eigentlich alles, mindestens mal ein ganzer Hausstand. Um ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich bin ein recht kleiner Mensch, daher ist auch mein Reiserucksack etwas kleiner und fasst nur 55 + 15 Liter. Gut gepackt und mit außen angeschnallter Flasche und Isomatte übersetzt sich das in 18-22 Kilogramm. Körperliche Probleme ergeben sich beim Tragen keine. Zwar braucht es etwas Eingewöhnungszeit, um damit längere Strecken zu bewältigen, aber dank Hüftgurt, breiter Träger und ergonomischem Rückenstück entstehen weder Druckstellen noch Kreuzschmerzen. Trotzdem – auch dem schwierigen Gelände geschuldet – habe ich für Wild Card lediglich Tagesstrecken von ca. 15 Kilometern angesetzt.

 

Die geheimnisvolle Kettensäge

 

Was ist eigentlich eine „Hand-Kettensäge“? Nein, es handelt sich nicht um eine monströs ratternde Maschine von der Größe eines Robbenbabys, die mit purer Körperkraft statt Benzin angetrieben wird. Obwohl, doch – zumindest, was die Körperkraft angeht. Ansonsten ähnelt sie in Größe und Gestalt ein wenig einer Fahrradkette – nur mit scharfen, einander entgegengesetzten Stahlzähnen an einer Seite. Ergänzt durch je eine Handschlaufe an beiden Enden, kann sie wahlweise zweihändig oder eben von zwei Personen eingesetzt werden, um Plastikrohre oder dicke Äste zu zerkleinern. Zusammengerollt passt ein solches Exemplar bei einem Gewicht von ca. 150 g in die Hosentasche.

 

Wiederbevölkerung

 

Errata Wild Card - Kinderzwang

 

Die vielleicht gruseligste Fragestellung unter all den Kommentaren und Rezensionen (und zwar gleich mehrfach!) war diese hier:

„Ist es denn ein so großes Problem, ein ungewolltes Kind auszutragen? Sollte eine Frau darauf wirklich derart unfreundlich reagieren?“

Nun …

Ja!

Eine Frau gegen ihren Willen zu einer Schwangerschaft zu zwingen – auf welche Weise auch immer – zählt zurecht zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit (vgl. Charta der Vereinten Nationen). Dabei ist – obwohl nahezu immer vorausgehend – nicht die Vergewaltigung das zugrunde liegende Verbrechen, denn diese wird in den völkerrechtlichen Richtlinien gesondert behandelt. Die erzwungene Schwangerschaft selbst ist das Verbrechen. Sie geht oft mit einer Vielzahl physischer und psychischer Schäden einher, die mit einer erzwungenen Abtreibung zu vergleichen sind. Insbesondere das Gefühl, monatelang einen Fremdkörper in sich zu tragen, wird als zerstörerisch empfunden. In der Vergangenheit wurden erzwungene Schwangerschaften in Kriegen eingesetzt, um Bevölkerungen ethnisch zu verändern oder psychisch bis zur Vernichtung zu destabilisieren. Weiterhin wird sie im privaten Rahmen eingesetzt, um Frauen in eine Ehe oder eine materielle Abhängigkeit zu zwingen.

Kurz: Auch das Drängen oder Nötigen einer Frau zu einer solchen Schwangerschaft (beispielsweise als Preis für einen sicheren Ort und damit unter mittelbarer Bedrohung ihres Lebens) ist keine Kleinigkeit und auch nicht durch schwierige äußere Umstände wie in Wild Card zu rechtfertigen – wie bei jedem Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

In diesem Sinne, liebe Leser: Seid nicht unheimlich! Es wäre doch – wenn überhaupt – meine Aufgabe, euch zu verstören und nicht etwa umgekehrt …! 🙂