Situation der Hostels und Herbergen in Deutschland

 

Wer die eine oder andere meiner Geschichten gelesen hat, ahnt es vielleicht schon: Ich reise für mein Leben gerne. 19 Länder waren es in den letzten 15 Jahren und hätten Geld & Zeit gereicht, wären es vermutlich noch mehr gewesen. Aber nicht nur die Verfügbarkeit von letzteren beiden stellt Reisende vor Herausforderungen, auch Umwelt- und Klimaschutz ist ein wichtiges Thema. Deshalb sollte sich jeder Reisesüchtige überlegen, wie er seinen ökologischen Fußabdruck ausgleichen kann (hier kannst du beispielsweise deinen Transport-CO2 ausgleichen – das ist kein absoluter Freibrief, aber ein Baustein für einen guten Mittelweg zwischen Leidenschaft und Umweltschutz!).

Dieses Jahr kam eine weitere Noxe hinzu: Corona. Daher hielt ich es für verantwortungsbewusster, länger innerhalb Deutschlands zu reisen – zum ersten Mal! Das hat mir eine Menge Erkenntnisse eingebracht und war daher trotz aller Schwierigkeiten durchaus lohnenswert. Zu ersteren zählte das beeindruckend große Spektrum an Sehenswürdigkeiten und der eher beklagenswerte Umgang mit Naturräumen (Natur ist kein Museumsstück, sie nicht – nachhaltig! – zu nutzen, hilft niemandem). Mir war zuvor auch nicht klar, wie viele Windräder wir bereits haben (30.000!), aber leider auch nicht, wie wenig wir sie einsetzen. Denn egal in welchem Teil des Landes ich unterwegs war – zwischen 10 und 25 % der Windräder standen still, gelegentlich sogar ganze Windparks. Der Ausbau der Windkraft scheint also weitaus weniger das Problem zu sein als vielmehr deren kontinuierlicher Betrieb.

Was mich jedoch am meisten beeindruckt hat (und das leider nicht im positiven Sinne), ist die beklagenswerte Marginalisierung der Hostellandschaft in Deutschland. Während ich weltweit die urigsten, eigenartigsten und individuellsten Herbergen kennenlernen durfte, sind in unserem Land weniger als 50 Häuser auf der Liste unabhängiger Hostels zu finden. Demgegenüber stehen allerdings 442 Herbergen des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH). Aber ist das überhaupt ein Problem?

 

Warum eigentlich ein Hostel?

Ich bin eine Frostbeule. Ich habe nicht allzu viel Geld. Ich brauche keinen Luxus. Das fasst zusammen, warum ich selten im Zelt, ebenso selten im Hotel und meistens in einem Hostel schlafe. Die Zimmer, egal ob Schlafsaal oder Doppelzimmer, sind normalerweise deutlich günstiger und dank der Möglichkeit, sich selbst zu bekochen, lässt sich Geld für ein Essen auswärts sparen. Frühstück kann oft hinzugebucht werden, manchmal ist es aber auch gratis. Dafür gibt es weder Zimmerservice noch Minibar und das Bett wird selbst bezogen – Bettwäsche und Handtücher werden selbst mitgebracht, können aber manchmal auch geliehen werden.

Was allerdings beinahe genauso wichtig oder sogar wichtiger ist: Die Atmosphäre. Sofas, Brettspiele und der obligatorische Büchertausch-Schrank sind in fast jedem Hostel zu finden, ganz egal in welchem Land. Schräge und entspannte Leute, eine nicht selten bunte und wild gemischte Einrichtung und lustige Extras (Dienstagabend Spaghetti Bolognese gratis!) runden das Bild ab. Manchmal gibt es im Erdgeschoss eine Bar, in der man interessante andere Reisende kennenlernen und den Abend ausklingen lassen kann. Zugegebenermaßen, dazu gehören auch fragwürdig sauberes Kochgeschirr aus dem vorletzten Jahrhundert und historische Fundstücke im Free-Food. Aber all das macht es eben spannend und toll!

 

Und was spricht nun gegen die Herbergen des DJH?

Vorgenanntes lesend – scheinbar nichts.* Wenn es denn so wäre. Die erste Station meiner Reise war Trier und das Doppelzimmer sollte satte 61 € kosten. Das war recht happig, doch möglicherweise war Trier eben einfach besonders beliebt, so der Gedanke. Da wussten wir natürlich noch nicht, dass es das billigste DJH-Zimmer sein würde, dem wir auf unserer Reise begegnen würden. Interessant, findet sich doch auf der Homepage:

„Während Hostels eigenständige, touristische und somit wirtschaftlich agierende Unternehmen sind, sind die Deutschen Jugendherbergen ein eingetragener Verein. Ihre Ziele sind nicht wirtschaftlich, sondern ausschließlich gemeinnützig. Nicht Profit steht im Mittelpunkt, sondern die Förderung der Jugendhilfe, der Völkerverständigung und des Naturschutzes. Und genau das wird bei einem Aufenthalt in einer Jugendherberge spürbar!“

Vielleicht herrschen unterschiedliche Vorstellungen von Familien mit wenig Budget, jedenfalls sind in manchen Häusern Preise von 150 € für zwei Zimmer für je zwei Personen durchaus nicht unüblich. Nicht zu vergessen: Die Zwangsmitgliedschaft, einmalig für 21 €. Unnötig zu erwähnen, dass wir für kein freies Hostel mehr als 60 € pro Zimmer bezahlt haben. Aber hey, Häuser des DJHs bekommen wegen ihres gemeinnützigen Status jährlich drei Millionen Euro Zuschuss … Dabei gab eine Mitarbeiterin mir gegenüber offen zu: „Das geht hier schon eher alles Richtung Hotel.“ Und während das auf die Preise durchaus zutrifft, bestimmt den Service: „Wir sind hier doch kein Hotel!“

Auch ansonsten war so einiges spürbar bei den Aufenthalten – Kälte vor allem. Denn zumeist fehlten gemütliche Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume, von Dingen wie Bücherschränken ganz zu schweigen. Die Zimmer waren minimalistisch und gleichförmig. Die bezahlten Doppelzimmer waren generell halb leere Schlafsäle, was nicht weiter schlimm gewesen wäre – wären nicht auch die Betten unverrückbar getrennt. Offensichtlich haben Menschen egal welchen Alters oder Familienstands beim DJH kein Recht auf gemeinsamen Schlafgenuss (ganz zu schweigen von Sex). Natürlich darf auch kein mitgebrachter Alkohol getrunken werden – verständlich in den Schlafsälen, puritanisch in den hypothetischen Gemeinschaftsräumen. Nicht alle Herbergen sind gleich unschön, aber in einigen meint man das konservativ-völkische Gedankengut noch regelrecht aus den Wänden sickern zu spüren.

Die letzte böse Überraschung erlebten wir bei der „Nahrungsmittelversorgung“. Aus Gründen der Flexibilität und natürlich aus finanziellen Erwägungen koche ich für gewöhnlich abends selbst. Bislang in keinem europäischen Land ein Problem (selbst in den Danhostels nicht, die sonst echt zum Abgewöhnen sind!), anders aber beim DJH. Mehr als ein entgeisterter Blick traf mich, als ich nach der Gästeküche fragte. Kochen!? Doch nicht in den Häusern des DJH – denn da lassen sich auch Mittag- und Abendessen buchen! Ganz kostengünstig und individuell für Familien … ne, klar. Auch klar: Kein Kühlschrank. Ob ich noch einmal Urlaub in Deutschland mache, weiß ich tatsächlich nicht, ganz sicher weiß ich jedoch, dass ich so weit als möglich einen Bogen um die „gemeinnützigen“ Häuser des DJHs schlagen werde.

*Wer hier einwendet, eine Herberge sei aber nun kein Hostel, sollte sich kurz vor Augen führen, dass die DJH Mitglied bei Hosteling International ist, Wortklauberei rettet hier also keinen Ruf.

Wer nun noch nicht genug von der Krittelei am den Herbergen des DJH hat, hier gibt’s mehr Stoff:

 

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.hotel-oder-juhe-jugendherbergswerk-wegen-standortpolitik-in-der-kritik.144b13ee-31df-4c3e-a510-89a2d152797a.html